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Konzert Matthäus Passion 2019

 

Konzertbericht

Eine grosse Schar gespannter und wohl auch neugieriger Konzertbesucher fand sich am Palmsonntag in der ref. Kirche in Effretikon zum Konzert der hier beheimateten Kantorei ein. Die Kirche war zu diesem besonderen Anlass bis auf den letzten Platz besetzt mit einem Publikum, das sich voller Erwartung auf ein den meisten unbekanntes Werk freute.
Angekündigt war eine Matthäus-Passion des zu seiner Zeit wohl berühmtesten Sohnes des grossen J.S. Bach, Carl Philipp Emanuel des Hamburger Bach. Matthäus-Passion ist bei den meisten Zuhörern das Synonym für das Werk des Vaters, und so warteten die Besucher auf die bevorstehende Auslegung des allzeit bekannten Textes durch den Sohn.

Nach dem Aufritt des Chores, der Solisten und des Dirigenten begann die Feierstunde schon abweichend von der grossen Vorgabe nicht mit einem Eingangschor, sondern mit einem Choral aus des Vaters Hand. Die meisten Choräle in dem Werk sind Pasticcios (Übernahmen aus damals bekannten Nummern anderer Komponisten), die Zitate aus dem Werk des Vaters beweisen die innige Bewunderung des Sohnes.

Schon bei den ersten Tönen des Chores war dessen Qualität für einen Laienchor bewundernswert. Keine Intonationstrübungen, rhythmisch präsent und klanglich sehr ansprechend. Einziger kleiner Einwand war eine besetzungsbedingte Disbalance, die der bei Laienchören of beklagten Unterbesetzung der Männerstimmen geschuldet ist. Durch die ganze anspruchsvolle Passion war der Chor beispielhaf aufmerksam, was auch der hochprofessionellen und einfühlsamen Vorbereitung durch den Dirigenten und Betreuer Joao Tiago Santos zu verdanken ist. Er leitete die Mitwirkenden auf der Bühne mit klaren, jeder Eitelkeit abholden Bewegungen. Unter seiner kompetenten Führung hielt sowohl die dramaturgische als auch die musikalische Spannung während der ganzen Aufführung an, man wurde als Zuhörer nie aus der Geschichte entlassen.  Nicht immer gelangen die Ablösungen zwischen des Sätzen, was die Dramatik noch
gesteigert hätte.

Die Solisten waren gut ausgewählt, allen voran der junge Tenor Luca Valentin Bernard in der prägenden Rolle des erzählenden Evangelisten. Seine Diktion ist so, wie ein Erzähler sein sollte, immer verständlich und ausdrucksstark. Erstaunlich seine Wandelbarkeit vom erzählenden zum musizierenden Sänger. Die Arien sang er mit sehr schöner, tragender Stimme, eine anspruchsvolle Doppelrolle, die hohe Anerkennung verdient. Im Dialog mit dem Evangelisten meisterte auch Serafin Heusser als Jesus diese Aufgabe begeisternd.

Die Protagonisten der weiteren Rollen waren Evan Gray in den Rollen des Judas und Pilatus, Horàcio Santos als Hohepriester und die Altistin Corinna Haldenstein. Die Rolle des Petrus wurde vom Maestro selbst interpretiert. Dabei musste der Chor seinen Einsatz ohne den Dirigenten übernehmen. Ein besonderes Lob haben die beiden Sopranistinnen verdient: Beatrice Stark-Tanner sang mit heller Stimme die Arien. Zusammen mit Christa Z’graggen-Eberhart begeisterten die Sängerinnen im Duett « Muster der Geduld und Liebe ». Welch eine virtuose Aufgabe! Sie meisterten diese mit Können in Beweglichkeit und Intonation auf hohem Niveau. Hier zeigt sich auch der Einfallsreichtum des Komponisten in der Verwendung der Flöten und vor allem der ebenfalls virtuos gesetzten Fagotte. Wegen der kleinen Streicherbesetzung geriet der Orchesterklang zeitweise aus der Balance.

Überhaupt das Orchester: Die Musiker, alles hervorragende Instrumentalisten, beherrschten die bereichernde Technik der barocken Spielweise ohne Makel. Diese Praxis fordert eine hohe Zuverlässigkeit in Bezug auf Artikulation und Intonation, die Instrumentalisten zeigten auch darin eine bewundernswerte Zuverlässigkeit und Virtuosität. Damit sind auch die ebenfalls sehr kompetent besetzten Oboen und Hörner und die drei Betreuer des Continuo-Parts gemeint, im Besonderen der wohlklingende Kontrabass.

Die Zuhörer bedankten sich am Ende des Konzertes mit grossem Beifall. Wir wurden mit einem zu Unrecht unbekannten Werk aus der Hand eines anderen Bach sehr bereichert. Seine stilistische Beweglichkeit zwischen Barock und Klassik führte den Zuhörer ofmals in die Klangwelt des Zeitgenossen Joseph Haydn.

Grossen Dank an den Chor und dessen Dirigenten.
René Mens

 

 

Ausführende

Chor:
Kantorei Illnau-Effretikon

Solisten:
Beatrice Stark-Tanner, Sopran
Christa Z’graggen-Eberhart, Sopran
Altistin Corinna Haldenstein, Alt
Luca Valentin Bernard, Evangelist, Tenor
João Tiago Santos, Petrus
Serafin Heusser, Jesus, Bass
Evan Gray, Judas / Pilatus, Bass
Horàcio Santos, Hohepriester, Bass

Orchester:
Sinfonietta Zürich

Leitung:
João Tiago Santos